Präambel
Die elektronen- und ionenstrahlbasierte Mikrostrukturdiagnostik und Materialforschung ist ein wesentlicher Forschungsschwerpunkt in Halle mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, dem Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik und dem Fraunhofer Institut für Werkstoffmechanik. Auf hohem wissenschaftlichem Niveau werden grundlagen- und anwendungsrelevante materialwissenschaftliche Fragestellungen in den Bereichen Photovoltaik, Mikroelektronik/Mikrosystemtechnik, Nanotechnologie, Polymerwissenschaft und Kunststofftechnik bearbeitet
Schon bald nach 1945 entwickelte sich an der Universität in Halle eine international anerkannte Schule für angewandte Elektronenmikroskopie und Festkörperphysik. Diese Entwicklung ist auf das engste mit dem Namen Heinz Bethge (1919-2001) verbunden. Er begann hier ein erstes Elektronenmikroskop zu bauen, das immerhin schon 1951 lief und dem Mitte der 50er Jahre ein zweites, schon sehr komfortables Gerät, folgte. Aus diesem Mikroskop II entwickelte Zeiss gemeinsam mit H. Bethge ein kommerziell gefertigtes Gerät. Schließlich entstand auch noch ein Emissionsmikroskop zur direkten Abbildung von Oberflächen.
Aufbauend auf diesen Erfahrungen und durch Unterstützung des VEB Carl Zeiss Jena erhielt Prof. Bethge 1959 den Auftrag zum Aufbau einer Akademie-Forschungseinrichtung für Elektronenmikroskopie in Halle, die dann in das „Institut für Festkörperphysik und Elektronenmikroskopie“ der Akademie der Wissenschaften überging. Eine Erweiterung des Institutes erreichte Prof. Bethge mit größeren Investitionsvorhaben. Kernstück war ein Höchstspannungs-Elektronenmikroskop aus Japan mit 1 MeV Beschleunigungsspannung, das damals erst zweite Gerät dieser Art in Europa und das erste in Deutschland. In Verbindung mit einem neuen Laborgebäude und weiteren Elektronenmikroskopen (Rasterelektronenmikroskop, Höchstauflösungsmikroskop) entstand ein Institut für die angewandte Elektronenmikroskopie, wie es nur wenige in der Welt gab.
Das breite Forschungsprogramm des Institutes erwies sich als außerordentlich wertvoll, um auch Fragestellungen aus neuen Teildisziplinen rasch und erfolgreich bearbeiten zu können. Kernaussagen von Prof. Bethge waren, dass es ganz falsch sei, nur Methodenforschung zu betreiben, man braucht die Anforderungen hierfür, und die können nur vom Anwendungsgebiet, vom Problem hergestellt werden. Und „Ein Institut sollte immer auf drei Beinen stehen (stabilste Lage nach den Gesetzen der Physik)“. Das erste ist die Grundlagenforschung, das zweite die geplante angewandte Forschung in Zusammenarbeit mit der Industrie, das dritte die echte Industriehilfe.
Eine intensive nationale und internationale Zusammenarbeit sowie die Erkenntnis, dass exzellente Forschung auch eine entsprechende Weiterbildung und Qualifizierung von Wissenschaftlern und technischen Mitarbeitern verlangt, führte 1975 zur Gründung eines Internationalen Zentrums für Elektronenmikroskopie. In jährlich zwei Schulen wurden Vorlesungen ausgewiesener Fachleute und praktische Übungen an Geräten zu unterschiedlichen Themen von der Theorie bis zur Anwendung der Elektronenmikroskopie geboten, die kontinuierlich einen höchsten Wissensstand sicherten.
Diese durch Prof. Dr. H. Bethge vorgegebene Breite, das hohe Niveau und der internationale Bekanntheitsgrad der wissenschaftlichen Arbeit sowie die Erfahrungen, Verdienste und Begeisterung ausgezeichneter Wissenschaftler und Mitarbeiter führten nach der Wende dazu, dass auf Empfehlung des Wissenschaftsrates nach 1990 aus dem Akademie-Institut das Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik und das heutige Fraunhofer Institut für Werkstoffmechanik Halle hervorgingen. Das Institut in Halle war das erste und einzige Institut der ehemaligen Akademie der Wissenschaften, welches in wesentlichen Teilen von der Max-Planck-Gesellschaft weitergeführt wurde. Der von Professor Bethge begründeten Tradition folgend hat der Standort Halle mit den beiden Folgeinstituten und mehreren Instituten an der Universität das Spitzenniveau und die Leistungsfähigkeit beim Einsatz elektronenmikroskopischer Verfahren in der Materialwissenschaft zielgerichtet ausgebaut. Charakteristikum und quasi das Alleinstellungsmerkmal der Elektronenmikroskopie in Halle ist heute die einmalige Konzentration und Breite abbildender und präparativer Technik sowie die Verzahnung von Grundlagenforschung und Industriekooperation.
Das kreative und vorausschauende Wirken von Prof. Dr. Dr. h. c. Heinz Bethge hat die Voraussetzungen geschaffen, dass sich der Standort Halle heute durch eine in Deutschland einmalige Konzentration der Elektronenmikroskopie einschließlich der Präparationstechniken auszeichnet. Dieses Potential soll stärker und breitenwirksam zur Ausbildung sowie für die angewandte Forschung durch eine nach Prof. Heinz Bethge benannten Stiftung nutzbar gemacht werden. Entsprechend dieser Ziele unterstützt die Stadt Halle und die Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau die Stiftung. Prof. Bethge wirkte von 1974 bis 1990 als Präsident der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina in Halle, so dass auch die Leopoldina die Stiftung unterstützt.